found some magic

analoges Mittelformat, Büttenpapier auf Dibond 2 Bilder je 80 x 80 cm

Ausstellung:
‚found some magic‘, Fotogalerija APT, Juni 2008, Novo Mesto, Slovenien

Die Anthropologie des Kosmischen. Das Bewusstsein von Heike Kaltenbrunner
Aus dem Heft zur Ausstellung. Zu sehen waren diese Serie und ‚Über das Leben und Sterben von Neutronensternen und TV-Geräten‘

Von Irina Tchmyreva, Moma Moskau

Übersetzung aus dem Russischen: Carina Schibany

Wir – die Kunst von Heike Kaltenbrunner und ich – trafen einander das erste Mal vor einigen Jahren im Rahmen der Ausstellung Portfolio Review in Bratislava. Alles begann mit einzelnen Fotografien, die auf einem Tisch verteilt waren. Sind es Steine? Strukturen eines Granits? Oder Venen; mikroskopisch kleine Fossilien, vergrößert auf das Sichtbare; oder sind sie lebendig, und verleiht nur die Regungslosigkeit der Fotografie ihnen Starre?

Vielleicht sind es in der Zeit versiegelte Spuren, die von der Bewegung der Himmelskörper rühren, welche in Schwärmen reisen und so an lebende Organismen erinnern? Der Film „Dune“ und Assoziationen mit vielen anderen Science-Fiction-Filmen drängen sich sofort auf und hinterlassen den bleibenden Eindruck, dass man hier auf Bilder gestoßen ist, wo Wissenschaft und Kunst zu einem einheitlichen Ganzen verschmolzen sind.

Die Strukturen, die Heike Kaltenbrunner’s schwarz-weiß Fotografien entwachsen sind, sind der Tribut ihrer Begeisterung für die Wissenschaft, für die Auffassung von Kunst im Sinne von Laboratorien. Ist es der Geist der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts? Man könnte sagen, dass hier der Enthusiasmus für Kybernetik und digitale Modelle aus dem Universum der 1960 – 1980er Jahre erkennbar wird. Es ist modern, sich die Alchemisten und Mediziner des vergangenen Jahrtausends in Gedächtnis zu rufen, die Mensch und Kosmos als vollkommene Einheit verstanden (fühlten?), als Vereinigung und Wechselbeziehung zweier Modelle, insbesondere aber, dass der Mensch ein Abbild des Kosmos auf der Mikroskala sei und gleichzeitig – ein Makrokosmos gegenüber den Prozessen, die seiner Materie entspringen, aus dem Gestein und aus der Erde, aus jenem Staub, woraus der Mensch entstanden ist.

Das nächste Projekt von Heike Kaltenbrunner, das ich sah, war eine Installation, die aus Bildschirmen besteht. Ein Ton, der das Bild zu einem Lichtpunkt „zusammenzieht“, ein Ton, der das mechanische Herz der Maschine, die das Bild ausstrahlt, zerstört. Oder ist es umgekehrt der Prozess der Zerstrahlung des Bildes, seine Transformation zu einem engen Lichtstrom (-strahl), was den Ton erzeugt? Ein melodischer Ton, kein kakophonischer, sondern ein tiefer Basston, ein wohltemperierter, summender Ton, wie ihn ein lebender Organismus durch Schwingungen erzeugen kann, oder der Klang des Universums. Man wird dabei an archaische rituelle Praktiken erinnert – Bön, Schamanen, deren Einfluss auf die Welt letztlich mithilfe von Klang zustande kommt, Schwingungen in feinen Frequenzen, die die Welt zu einem Bildschirm werden lassen, der den Ton zu seinem Ausgangspunkt zurückführt, der Bildschirm, der wie eine dünne Schale vom Klang zu zittern beginnt, zu zittern beginnt und … in jedem Augenblick bereit ist zu zerfallen, nachdem er die Möglichkeit des Übergangs zwischen dem Sichtbaren und jenem, was jenseits seiner Grenzen liegt, gezeigt hat.

Ohne Zweifel setzt das Werk von Heike Kaltenbrunner aus kunsthistorischer Sicht die Tradition von Nam Jun Paik und des österreichischen Künstlers Franz Xaver fort, welchen die Künstlerin als ihren geistigen Mentor betrachtet.

Allerdings führt ihre Installation vom Verhältnis zwischen dem akustischen Signal und dem Licht, das sich zusammenrollt wie das Licht im Inneren eines schwarzen Lochs, am Bildschirm zu einer neuen Erkenntnis. Der Ton, den Sie in der Installation hören, ist auch dem menschlichen Gehör angenehm, er gleicht dem Tönen ferner Sterne, die man mit Glück in einer Sternwarte vernehmen kann. Dies ist der Klang des Kosmos, der den Menschen nicht abstößt, welcher ja – ein mögliches kosmisches Erzeugnis ist. Und dieser Klang, der den Menschen in die kosmische Harmonie einbettet (damit bewahrheitet sich die Ahnung Pythagoras’, dass himmlische Sphärenmusik auf irdische Dinge einwirke), ist äußerst gefährlich für die Mechanismen, die der Mensch geschaffen hat, er vernichtet sie. Allerdings erfolgt der Prozess des „Zusammenrollens“ des Bildes am Schirm der Maschine so rasch unmittelbar auf den Ton, dass wird die Mechanismen mit dem Auge nicht rechtzeitig wahrnehmen können. Das auf niedriger Frequenz vibrierende Dröhnen wird zum Totenlied der Maschine. Ursache und Wirkung lösen einander ab.

Wenn wir von der Maschine als Erzeugnis des Menschen sprechen, so bedauern wir, dass die Mehrheit ihrer Formen, sogar Androiden, nur im Entferntesten ihrem Schöpfer ähnelt. Wir verstehen die Logik des Designs, das der Funktion einer Maschine entspricht, welche in ihrer mechanischen Struktur abgebildet ist. Das Design bündelt die „inneren Organe“ der Maschine, die nach ihrer technischen Zweckmäßigkeit angeordnet sind, mithilfe eines äußeren Mantels. Wenn wir die Abhängigkeit der äußeren Erscheinung vom inneren Bau auf den Menschen projizieren, so müssen wir verstehen, dass der Mensch, der nach dem „Ebenbild“ seines Schöpfers geschaffen wurde, womöglich sogar weit von seiner äußeren Ähnlichkeit abweicht.

Was betrachtet die Menschheit heute als ihre Substanz? Das Bewusstsein. Welche Form hat das Bewusstsein? Ist es möglich, dass unser Bewusstsein das Ebenbild ist und die Form, in die das Bewusstsein gegossen wurde, keine Ähnlichkeit mit dem Prototyp hat? Diese Überlegungen passen gut zum Szenario eines phantastischen Werks, das die Formen des Lebens behandelt. Allerdings sind diese Überlegungen das Ergebnis der Reflexion über das Projekt von Heike Kaltenbrunner. Es ist nicht so wichtig, ob die Formen ihrer Bildschirme – als Lokatoren des Lauts, als Translatoren des Bildes – rechteckig sind und strenge geometrische Linien haben, oder ob sie weich, organisch und biomorph sind. Die Projekte von Heike Kaltenbrunner handeln vom Bewusstsein, vom Bewusstwerden, vom Verhältnis kosmisch bedeutender und kosmisch unbedeutender Dimensionen. Vom Kosmischen als Hauptthema der Kunst. Einst wurde diese Thematik in die Form religiöser Symbole gebettet, heute hat sie technokratische Formen gewonnen, irgendwann einmal wird sie womöglich anthropomorphe Gestalt annehmen. Einstweilen aber – bleibt das Bewusstsein im primitiven Gehäuse einer Maschine verwahrt. Die Anthropologie als Modell auf dem gegenwärtigen Stand der technischen und künstlerischen Nachbildung.